VINTAGE
DIE GESCHICHTE DER KLAPPROLLERText: Prof. DI (FH) Fritz Ehn
Fotos: United War Museum, Honda, Archiv Ehn WELBIKE UND VERWANDTSCHAFTWinzräder und Klapplenker – leichte Mobilität auf kleinstem Raum war schon immer gefragt. „motomobil" rollt den schrägen Werdegang der Miniscooter auf!![]() zum AutorPROF. DI (FH) FRITZ EHN (das Foto zeigt ihn im Jahr 1982) ist die Instanz im deutschsprachigen Raum, wenn es um die Geschichte der individuellen motorgestützten Mobilität gilt. Dass seine besondere Liebe der einspurigen Fortbewegung gilt, zeigt eine Unzahl an Buch-
veröffentlichungen, zum Beispiel „Das große PUCH Buch“ (H.Weishaupt Verlag, Graz) oder „Auf zwei Rädern ins Wirtschaftswunder“ (GeraMond Verlag, München). Das von ihm gegründete und geleitete „Erste Österreichische Motorradmuseum“ in Sigmundsherberg zeigt auf 1300 Quadratmetern Ausstel- lungsfläche 250 wertvolle und richtungsweisende Exponate Es ist ein Roller! Mit einigen Handgriffen ist das Ding aufgeklappt, in Sekundenschnelle startet es und auf jedem dieser Vehikel verschwinden die Fallschirmspringer schneller als die feindliche Infanterie folgen kann. So oder so ähnlich sind die Überlegungen der SOE (Special Operations Executive), als sie den „Klapproller" Welbike an die Parachute-Truppen der RAF (Royal Air Force) weitergeben. Zu Beginn des Jahres 1943 benötigt die britische Armee ein motorisiertes Vehikel, das mit Fallschirmen abgeworfen werden kann und die nachfolgenden Fallschirmjäger schnell ins Hinterland des Feindes transportiert. Weil die Tragkraft der damaligen englischen Flugzeuge für ein Automobil – zum Beispiel einen Jeep – nicht ausreicht, wird die Excelsior Motor Company beauftragt, einen zusammenklappbaren Roller zu bauen. Da die Fertigungsstätte in Welwyn ist, bekommt das Ding den Namen „Welbike" verpasst. Die Idee der schnellen motorisierten Fallschirmjäger funktioniert allerdings nur im Übungsbetrieb. Im Kampfeinsatz sind die technischen Nachteile des Scooters zu gravierend: Infolge der kleinen, ungefederten Räder ist der Einsatz selbst im leichten Gelände nahezu unmöglich. Und bevor man den 97-Kubik-Villiers-Zweitaktmotor des knapp 38 Kilo leichten Welbikes starten kann, muss mit einer Handpumpe im Tank Druck aufgebaut werden, damit Benzin zum Vergaser gelangt – nicht gerade eine willkommene Verzögerung, wenn einem der Feind im Nacken sitzt. Und wenn das Welbike läuft, reicht die Motorkraft von 1,1 kW (1,5 PS) gerade aus, um einen Fallschirmjäger in voller Ausrüstung zu transportieren. Der tatsächliche Einsatz der Welbikes beschränkt sich dann auf den Personentransport auf Militärbasen, die oftmals eine ziemliche Ausdehnung haben. Und mit dem Welbike zu fahren, das ziehen die meisten Soldaten dem zu Fuß gehen oder Rad fahren allemal noch vor ... Die militärische Fehlentwicklung beschert der folgenden Nachkriegsszene einen interessanten Entwicklungsanstoß auf dem Rollersektor: Nämlich den Klapproller beziehungsweise das Klappmoped! Von den überlebenden Welbikes werden nach dem Krieg die meisten von der Armee abgewrackt. Man erachtet die Geräte wegen der fehlenden Lichtanlage und nur einer Bremse im Hinterrad für den öffentlichen Verkehr als ungeeignet. Dennoch findet eine beachtliche Zahl der Welbikes zivile Benützer, die die geringen Haltungskosten und vor allem den geringen Benzinverbrauch von rund 2,5 Litern auf 100 Kilometer schätzen. Erst mit Beginn der Sicherheitsinspektionen in den 1950er-Jahren werden die letzten Welbikes von Englands Straßen verbannt. Der direkte Nachfolger des militärisch inspirierten Welbikes ist der von Brockhouse Engineering, Southport, gebaute Corgi-Roller. Der Name Corgi bezieht sich auf die walisische Hunderasse, die sich durch langgestreckten Körperbau und kurze Beine auszeichnete – eine Analogie zur Optik des Corgi-Rollers: Ebenso wie das Welbike besteht er aus einem extrem niedrigen Fahrgestell mit einklappbarer Lenkstange. Der Tank ist jedoch höher angebracht, sodass der Sprit mit Fallförderung ohne Überdruck in den Vergaser rinnt. Die Konstruktion des Corgi stammt von John Dolphin, der vorher bei Welbike federführender Konstrukteur war. Von 1947 bis 1955 werden etwa 27.000 Corgis produziert. Das Modell Mark I, das bereits 1947 auf den Markt kommt, wird unter dem Namen „Indian Papoose" in die Vereinigten Staaten verkauft. Dies deshalb, weil Brockhouse diese indische Firma erst kurz zuvor kaufte. Als Antriebsquelle dient ein 98-Kubik-Excelsior-Spryte-Motor. Zur Propagierung des Corgi-Rollers findet eine Fahrt quer durch die USA vom Atlantik zum Pazifik statt, um den Käufern die Zuverlässigkeit des neuen Kleinfahrzugs zu demonstrieren. 1948 folgt ein weitgehend unverändertes Modell MK II für den englischen Markt. Die weitere Modellpflege bis zum Ende der Firma im Jahr 1955 bezieht sich lediglich auf kleine Details und die Farbgebung. Die nächsten Kleinroller mit der Eigenschaft, auf kleinstem Raum zusammengefaltet zu werden, treten dann ziemlich zeitgleich auf. Der aus Italien stammende Di-Blasi-Roller und das Monkey von Honda. Beide waren und sind in Österreich als Mopeds mit 50 Kubik zulassungsfähig. Di Blasi mit Sitz in Francofonte in Syrakus/Italien wird 1970 als Handwerksbetrieb gegründet. Die Firma nimmt bald mit der Produktion eines klappbaren Kleinrollers und von Fahrrädern großen Aufschwung. Dank des immer wieder aufflammenden Bedürfnisses der Militärs dieser Welt, ihre Fallschirmtruppen mit einem abwerfbaren Motorfahrzeug zu motorisieren, wird das Di Blasi in viele Länder der Welt exportiert, von Japan bis in die USA, nach Deutschland, nach Großbritannien und in die Schweiz. Das mit R7 bezeichnete Modell wird von einem 50-Kubik-Einzylinder-Zweitaktmotor beflügelt, der Antrieb erfolgt über Primärriemen und Sekundärkette. Und dieses moderne Klappfahrzeug hat bereits eine Teleskopgabel vorn und eine Schwinge hinten. Das Design des Di-Blasi-Mopeds wird sogar für würdig befunden, einen Platz im Museum of Modern Art in New York zu erhalten – ähnlich der Zitronenpresse von Philippe Starck. Honda, größter Motorradhersteller der Welt, besinnt sich im Jahr 1963 mit dem Modell CZ 100 auf die Miniaturisierung des Motorrades mit Klappeffekt. Ab 1967 heißt das Gefährt Monkey, Affe. Offensichtlich wegen der Sitzhaltung des Fahrers? Von wegen Aff' am Schleifstein ... Das Fahrzeug wird ursprünglich mit einem 50-Kubik-OHV-Viertakter ausgestattet, das 1967er-Modell hat noch einen Starrrahmen, 5-Zoll-Räder und zwei Handbremsen. Die Folgemodelle haben aber bald einen Motor mit obenliegender Nockenwelle sowie Teleskopgabel, später folgt auch eine Hinterradfederung. Der zweigeteilte Lenker kann umgelegt und die Sitzbank nach hinten geklappt werden, damit passt das Monkey in nahezu jeden Autokofferraum. So lustig die Optik des Vehikels ist – beim Fahren muss man mit der tückischen fußgeschalteten Dreigang-Halbautomatik höllisch aufpassen, dass man keinen Überschlag nach hinten liefert. Heute sind die original erhaltenen Monkeys hochpreisige Spielzeuge, was wiederum einen boomenden Markt an Nachbauten aus Fernost nach sich zieht. Historisch gesehen, gibt es weit vor den ersten „Klappmessern" Welbike und Corgi ähnliche, nicht klappbare Fahrzeuge – die allerdings einen ganz anderer Zugang zur motorisierten Welt des Zweirads haben. Es handelt sich um das Autoped und den Krupp Motorläufer. Das Autoped wird ab 1915 von „The Autoped Company of America, New York" und später in London von der „Imperial Motor Industries Ltd., Denmark Street, Charing Cross Road" hergestellt. Es handelt sich dabei um einen Roller mit kleinen 12-Zoll-Rädern und einem neben und über dem Vorderrad platzierten 155-Kubik-Motor, auf dem der Fahrer wie auf einem Kinderroller stehend fährt. Es ist quasi die Motorisierung des altbekannten Kinderspielzeuges, eben jetzt für Erwachsene zur Bewältigung von kurzen Strecken ohne körperliche Anstrengung. In New York wird er von der U. S. Post in Dienst gestellt, aber auch sinistre Gestalten bemächtigen sich seiner: Bei Gang-Mitgliedern ist er sehr beliebt, weil man mit ihm in schmalen Gassen den Polizeiautos entkommen kann. Zeitgenössische Berichte erzählen auch davon, dass „jugendliche Rowdies die Stadtteile Brooklyn, Queens und Manhattan terrorisieren". Außer in den USA und in England wird das Autoped von den Lizenznehmern Krupp in Deutschland und CAS in der damaligen Tschechoslowakei gebaut. Nach dem ersten Weltkrieg kommt der Motorläufer von Krupp (bekannt durch Stahl und Waffen). Der hat wahlweise einen neben dem Vorderrad liegenden 185- oder 198-Kubik-Motor. Die Lenkstange ist demontierbar, der Fahrer steht auf dem Trittbrett zwischen den Rädern. Dieses ist gleichzeitig der aus Pressstahl gefertigte Rahmen. Nach dem Abnehmen der Lenkstange kann der Roller auf kleinstem Raum untergebracht werden. Der Krupp Motorläufer basiert auf den Patenten von Autoped und wird von 1919 bis 1921 hergestellt. Die Zeit ist jedoch für einen Motorroller noch nicht reif … |